Sonntag, 12. Juni 2016

Meine Rede - auf deutsch #HLM2016AIDS #endingAIDSby2030

Sehr geehrter Herr Minister Gröhe,
sehr geehrte Botschafterin Doussey-Cavassini,
sehr geehrter Dr. Loures,
liebe Exzellenzen, Gäste, Kollegen, Freunde und Mitstreiter,

Vielen Dank für die Gelegenheit, ein paar Worte aus der Perspektive eines HIV-positiven Mannes hier an Sie richten zu dürfen.

Als ich über mein eigenes Testergebnis informiert wurde, hatte ich das Gefühl in der Zeit zurück zu reisen. Es warf mich in die achtziger Jahre zurück und ich hatte all diese schrecklichen
Bilder von AIDS vor Augen, wie sie auch heute noch so präsent in unseren Köpfen sind.
Für eine Sekunde fühlte ich als würde ich sterben. Natürlich wusste ich, dass das nicht passiert, aber - für einen kurzen Moment - fühlte es sich eben so an. Auch 2010 noch und in Deutschland.

Es kommt mir vor als lebten wir alle in einer permanenten Zeitverschiebung. Viele wissen nicht
was seit den achtziger Jahren passiert ist - medizinisch und gesellschaftlich. Viele wissen nicht, was eine "nicht nachweisbare Viruslast" bedeutet. Diese unterschiedlichen Informationsstände bringen uns in diese "Ungleichzeitigkeit". Und solche Erfahrungen machen wir alle immer wieder - HIV-positiv, oder negativ.

Auch im Jahr 2016 ist HIV an vielen Orten der Welt noch immer ein Tabu, obwohl wir in der Lage sind das Virus gut unter Kontrolle zu halten. Wir können sexuelle Übertragungen verhindern,
wir können Mutter-zu-Kind-Übertragungen in der Schwangerschaft und bei der Geburt verhindern, und wir können das Virus so soweit im Griff, dass Menschen ein normales Leben ohne Angst vor dem Tod oder Krankheiten wegen HIV leben können. Also, warum ist dieses Virus noch so ein Tabu ?!

Manchmal machen meine Zeit reisen mich sehr traurig und wütend. Vor allem, wenn ich mir anhören muss "Du bist schwul, Du wusstest doch, dass das passieren wird." Es ist zu einfach, die Welt nur in schwarz und weiß und in "gut" und "schlecht" zu sehen. Menschen, die "anders" sind, dürfen nicht auf diese Weise abgewertet werden! Je stärker die Angst vor dem anderen - dem Fremden -, desto  größer ist die Abwertung bis hin zu körperlicher Gewalt.

Als schwuler Mann ist mir diese Abwertung und Ausgrenzung nicht unbekannt. Und als HIV-positiver Mann erlebe ich Diskriminierung und Stigmatisierung nicht nur in der schwulen/LSBTIQ-
Community, sondern in der gesamten Gesellschaft - jeden Tag. Und auch unter Menschen mit HIV werden wir in "gut" ("unter der Nachweisgrenze") und "schlecht" (die (noch) keine Medikamente nehmen) unterschieden.

Dank des medizinischen Fortschritts leiden wir immer weniger an HIV-bedingten Krankheiten, aber wir leiden sehr unter Ausgrenzung, Diskriminierung und Stigmatisierung!

Das Stigma muss bekämpft und beendet werden, wenn wir den Menschen die Angst zu nehmen wollen, die HIV umgibt -denn Angst ist niemals ein guter Ratgeber! Angst hält Menschen davon ab ehrlich über wichtige Dinge zu sprechen; Angst hält Menschen davon ab, einen HIV
Test zu machen und Angst bringt Menschen dazu andere auszuschließen und führt zu Gewalt gegen die, die ausgegrenzt werden. Aus der Angst wird das Stigma geboren und daraus erwachsen Tabus.

Wir müssen wir lernen, uns selbst zu akzeptieren wie wir sind, ohne Furcht vor Abwertung und Ausgrenzung. Die Bundesregierung hat ihre Strategie für den Umgang mit
HIV, sexuell übertragbaren Infektionen (STIs) und Hepatitis gerade neu erarbeitet und betont die Bedeutung von Akzeptanz und der Bekämpfung von Diskriminierung und Stigmatisierung. Denn dort wo Menschen gezwungen sind, anders zu sein, nicht sie selbst zu sein, können sie nicht gedeihen, und Ängste wachsen - Angst vor Ausgrenzung und Angst vor körperlicher und seelischer Gewalt.

UNAIDS ist ein wichtiger Partner in diesem Kampf. Für eine Gesellschaft mit
#ZERODISCRIMINATION. Wir müssen die Angst vor "anderen" bis zum Ende von Stigmatisierung bekämpfen. Ich finde die Kampagne "ProTestHIV" ist gerade deshalb so wunderbar, weil sie nicht nur "pro HIV-Test"wirbt , sondern auch ein Protest gegen jede Form der Diskriminierung ist.

Aber Testkampagnen sind nutzlos, wenn Menschen mit HIV keinen Zugang zu Behandlung und Therapie haben. Im Jahr 2016, in einer Zeit allgegenwärtiger Diskussionen über Globalisierung und
TTIP, muss ein erklärtes Ziel für alle (Industrie-)Nationen sein, allen Menschen Zugang zu HIV-Medikamenten zu ermöglich - und zwar weltweit und absolut bedingungslos!

Wir dürfen niemanden zurücklassen!

Und  um Ungleichzeitigkeit zu überwinden, brauchen wir Bildung, wir brauchen Respekt vor jede*r und jede*m Individuum, und wir brauchen Akzeptanz für alle Menschen und Lebensweisen. Nur eine gut ausgebildete, respektvolle und akzeptierende Gesellschaft wird in der Lage sein, der globalen Herausforderung HIV und AIDS zu bekämpfen, erfolgreich zu begegnen.

Ich bin sehr stolz und glücklich, hier zu sein und mich gemeinsam mit Ihnen diesen Herausforderungen zu stellen: für eine Menschheit ohne Diskriminierung. So werden wir - gemeinsam - AIDS bis zum Jahr 2030 beenden.

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