Mittwoch, 29. Juni 2011

Schwul und jüdisch in Deutschland

Die Frage nach der Situation von lesbischen und schwulen Juden in Deutschland erfordert eine differenzierte Sicht auf die Situation der jüdischen Gemeinden in Deutschland und dann der Jugendlichen in den Gemeinden. Literatur zum konkreten Thema findet sich in deutscher Sprache / auf die Situation in Deutschland bezogen praktisch nicht.

Die jüdischen Gemeinden in Deutschland sind zumeist sogenannte Einheitsgemeinden, die die drei wesentlichen Strömungen (orthodox, konservativ und reformiert/liberal) vereint. Dabei haben die Gemeinden oft die Befürchtung, das theologische Wissen zu verlieren, da oft mehr als die Hälfte der Gemeindemitglieder aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion stammen und zumeist kein theologisches, bzw. traditionelles Wissen über den jüdischen Glauben haben. Die Gemeinden holen so oft orthodoxe Rabbiner aus Israel, um das theologische Fundament zu erhalten. Die Erwartungshaltungen zwischen Rabbinern und Gemeinden bieten natürlich ein wesentliches Konfliktpotential – gerade auch in unserem Zusammenhang. Damit ist die Situation, der in Deutschland lebenden lesbischen und Schwulen Juden nicht vergleichbar derer in anderen Ländern.

Um gegen die orthodoxe Auslegung der Schrift zu argumentieren, ist es nötig sich auf die orthodox-theologische Sprache und Argumentationsweise einzulassen und sie im eigenen Sinne zu nutzen. Es braucht eine neue Sicht auf die Textstellen. Einige Ansätze sollen hier skizziert werden.

Die Sichtweisen der drei Strömungen (orthodox, konservativ, liberal/reformiert) unterscheiden sich zum Teil erheblich voneinander.

Grundlage der Kritik, oder vielmehr Verurteilung, von Homosexualität sind die beiden Stellen im dritten Buch Mose:

ואת-זכר לא תשכב משכבי אה תועבה הוא:

„Und beim Manne sollst du nicht liegen, wie man bei einem Weib liegt. Ein Gräuel ist das.“

(Lev, 18;22)

איש אשר ישכב את-זכר משכבי אשה תועבה עשו שניהם מות יומתו דמיהם בם:

„Und so jemand bei einem Manne liegt, wie man bei einem Weibe liegt, ein Gräuel haben beide getan. Sterben müssen sie. Ihr Blut über sie.“

(Lev, 20;13)



Im Talmud, der Sammlung wie die Thora auszulegen ist, finden sich noch Stellen, die diese Verbote noch bekräftigen (Sanhedrin), die Homosexualität leugnen (Kidduschin)oder dann auch relativieren (Nedarim):



„Du begehst einen Fehler“

„ein Verhalten, dass in die Irre führt“



Im Talmud wird aber auch der Grund erklärt, auf dessen Basis dieses Verbot interpretiert wurde (Yevamot):



„Kein Mann darf sich der Zeugung entziehen, sofern er noch keine Kinder hat.“



„Wer die Zeugungspflicht nicht erfüllt, ist mit einem Mörder zu vergleichen.“



Samen, der zur Zeugung bestimmt ist, darf nicht verloren gehen – weder allein noch beim Verkehr.



Dabei ist allerdings Analverkehr zwischen Eheleuten gar nicht verboten, sofern er nicht zur Verhütung, sondern zur sexuellen Befriedigung praktiziert wird. (Talmud, Nedarim). Das bedeutet schließlich auch, dass man Masturbation und auch homosexuellen Geschlechtsverkehr nicht im Sinne des „Verlustes von Samen“ verurteilen kann.



Was bedeutet das in den unterschiedlichen, theologischen Strömungen?



Orthodox:

Ein Leben in ständiger Sünde.

Homosexualität wird als Krankheit gesehen, die man behandeln muss. Denn es ist ebenfalls eine Sünde eine Krankheit nicht zu behandeln. Solange sie nicht ausgelebt wird, besteht keine weiterer Handlungsbedarf.



Heute wird Homosexualität allerdings gleichgesetzt mit der Nichtbeachtung anderer Gebote, wie der Schabbat-Ruhe, oder den Speisegesetzen.



Homosexuelle dürfen nicht mehr aus den Gemeinden ausgeschlossen werden.



Konservativ:

Hier wird Homosexualität nicht wesentlich milder gesehen, jedoch bewerten einzelne Rabbiner die Aufforderung zu sexueller Enthaltsamkeit als „unglaublich grausam“.

Außerdem macht man keinen Unterschied zwischen homosexueller Veranlagung und ausgelebter Homosexualität.



Liberal/reformiert:

Hier sieht die Praxis ganz unterschiedlich aus. Gerade weil man die Tora nicht als sakrosankt, also unveränderlich und somit fehlerfrei, ansieht.



Im Allgemeinen gibt es in reformierten Gemeinden keine Vorbehalte gegen lesbische und Schwule Gemeindemitglieder. Jedoch auch in einem liberalen Umfeld wird man nur selten die Segnung einer Partnerschaft erleben können.





Rabbi Ben Azzai (2.Jhrd.) vertrat schon in Talmudischer Zeit die Auffassung alle Gebote müssten in einem g’ttesebenbildlichen Schöpfungsverständnis interpretiert und angewandt werden:

ויברא אלהים את-האדם בצלמו אלהים ברא אתו זכר ונקבה ברא אתם:

Und G’tt schuf den Menschen in seinem Bilde, im Bilde G’ttes schuf er ihn; Mann und Weib schuf er sie.

(Gen, 1; 27)



So wird die Liebe G’ttes zum Menschen in den Vordergrund gerückt und Homosexualität als von G’tt gegebene Eigenschaft des Menschen gesehen.



Das jüdische Morgengebet enthält in den Segenssprüchen einen Abschnitt, wo G’tt für die (eigene) Seele gedankt wird.



„Mein G’tt, die Seele, die Du in mich gegeben hast, sie ist rein, Du hast sie geschaffen, Du hast sie geformt, Du hast sie mir eingehaucht, Du behütest sie in mir, Du wirst sie einst von mir nehmen und sie mir in der Zukunft wieder geben. Solange die Seele in mir ist, danke ich Dir, Ewiger, mein G’tt und G’tt meiner Väter, Meister aller Werke, Herr aller Seelen. Gelobt seist Du, Ewiger, der Seelen den Toten wieder gibt.“



G’tt gibt uns eine reine Seele, und den Körper, den er dazu passend in seinem Bilde geschaffen und ausgesucht hat. Fehler sind so bei einer orthodoxen Herangehensweise nicht vorstellbar.



Interessant ist in diesem Zusammenhang ein genauerer Blick in die beiden Schöpfungsberichte.



In der ersten Entstehungsgeschichte wird jeder einzelne Tag der Schöpfung der Erde und der Kreaturen darin beschrieben. Das Ergebnis jedes Schöpfungstags (vom ersten bis zum fünften) wird mit „und er erkannte, es war gut“ beschrieben. Das Ergebnis des sechsten Tages wird nun, zum ersten und einzigen Mal als „sehr gut“ bewertet.

וירא אלהים את-כל-אשר עשה והנה-טוב מאד ויהי-ערב ויהי-בקר יום הששי:

„Und G‘tt sah was er erschaffen hatte, und erkannte, es war sehr gut. Und es ward Abend, und es ward Morgen: der sechste Tag.“

(Gen, 1; 31)



Ein Kapitel weiter, im zweiten Schöpfungsbericht, erkennt G’tt, dass Adam allein ist und dies ist „nicht gut“ – wiederum das erste und einzige Mal.


ויאמר יהוה אלהים לא-טוב היות האדם לבדו אעשה-לו עזר כנגדו:

„Und G‘tt sprach: Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei; ich will ihm ein Gegenüber schaffen, dass er erkenne.“

(Gen 2; 18)



Der Text spricht dabei von einem „Gegenüber“ im partnerschaftlichen Sinne. Sich gegenseitig „erkennen“ symbolisiert dabei die Auffassung, dass zwei Menschen in einer Partnerschaft als zwei Hälften erkennen, die sich in der Partnerschaft zu einem Ganzen ergänzen.



Aber unter den Tieren, die G’tt geschaffen hatte, erkannte Adam keinen Partner.


ויקרא האדם שמות לכל-הבהמה ולעוף השמים ולכל חית השדה ולאדם לא-מצא עזר כנגדו:

„Da gab der Adam einem jeglichen Vieh und Vogel und allen Tieren des Feldes Namen; aber er erkannte keinen Partner, der ihm entsprochen hätte.“

(Gen 2;20)



G’tt überlässt es so offensichtlich dem Menschen, Adam, selbst seinen Partner zu erkennen. Und erst als er unter den Kreaturen der Erde keinen Partner erkannte, „der ihm entsprochen“ hat, legt G’tt ihn in einen tiefen Schlaf und erschafft Eva aus der Rippe Adams.



Wichtig ist dabei auch, dass „Adam“ übersetzt „Erdling“ bedeutet und erst durch die Erschaffung Evas (hebräisch Chava; „die Leben schenkende“) zu einem geschlechtlichen Wesen mit einem Gegenüber wird.



Als Schlussbemerkung habe ich eine Stelle der Kabbala gewählt, da sie unterstreicht, dass man Frau nicht nur weibliche, und als Mann nicht nur die klassisch-männlichen Eigenschaften als Stärke ansehen soll, sondern vielmehr nur dadurch Vollkommenheit erreicht, beides zu vereinen und anzunehmen.



„Der vollkommene Mensch besitzt die Stärke des Mannes und die Barmherzigkeit der Frau.“

(Kabbala, Sohar)



Wer verkörpert gerade das besser als eine lesbische Frau und ein schwuler Mann?!

Mittwoch, 30. März 2011

Mein erster Blog

Ich habe mich entschlossen, auch endlich mit einem Blog zu starten.
Ich bin sehr gespannt, wie er sich inhaltlich entwickeln wird. Nach meinen - guten und schlechten - Erfahrungen mit Twitter und Facebook, bin ich jetzt gespannt darauf was hier passieren wird.

Also los! ;-)