Donnerstag, 19. Juni 2014

Queer?! Queer!

Ich wage mich mal an ein Thema, was mich nun seit einiger Zeit beschäftigt. Wie heterogen ist die schwul-lesbische Community, oder besser der Anteil der LGBTIQ in unserer Gesellschaft?

Das Wesentliche was Schwule und Lesben verbindet ist aus meiner Sicht nicht die 'homosexuelle' Identität, sondern die gemeinsame Situation sich Anfeindungen, Diskriminierungen und zum Teil sogar Strafverfolgung gegenüber zu sehen. Da es nicht 'die Lesbe' und 'den Schwulen' gibt, sehe ich ansonsten wenig Gemeinsamkeiten. Man hat sich also in einer Art Zweckgemeinschaft zusammengetan, um den vielseitigen Diskriminierungen zu begegnen und bekämpfen.

In den letzten Jahren hat sich unsere Regenbogen-Community immer weiter ausdifferenziert und eine langsam wachsende Akzeptanz für Menschen, die 'anders' sind, macht es vielen leichter zu sich zu stehen.

So wurde aus der schwul-lesbischen Community eine LGBTIQ-Community. Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender, Intersexuelle und Queers. Wobei 'queer' eigentlich alle umfasst. Queer ist anders als der Standart.

Ich wurde in den letzten Wochen oft gefragt: "Was ist diese Conchita Wurst eigentlich?"
Und mein erster Gedanke war immer "Großartig!".

Conchita Wurst passt in kein richtiges Schema. Ein schwuler Mann, der auf der Bühne eine Frau imitiert. Das gibt es ständig. Meist sind die weiblichen Merkmale extrem betont. Conchita durchbricht das. Dezentes Makeup, kein ausgestopfter BH und dann der Bart. Das Markenzeichen. Eine Provokation. Es gibt hierfür keine Schublade, kein Klischee.
Warum sollte sich Conchita auch in eine Schublade pressen lassen?! 'That's what I am' sang sie und kommentierte "Ich bin, was ich bin und der Rest ist Wurst!" So ist der Name Programm und eine gesellschaftspolitische Aussage zugleich.

Für mich ist Conchita Wurst eine großartige, queere Person. 

Und auch der Begriff 'queer' ist großartig, weil er jedem einen Raum bietet. Ich muss mich nicht mehr in der engen, bunten, feiernden und ständig rumfickenden Schublade der Schwulen gefangen fühlen. Ich darf als Queer Sex mit Männern haben, ich darf Fussball schauen, Äppler trinken und ein Heinz Schenk-Fan sein. 

'Queer' bricht so alle Klischees auf und umfasst uns alle, ohne uns festzulegen, oder zu bewerten. Jeder kann so sein, wie er/sie/* will. Auch heute mal so und morgen anders. Es gibt keine Vorurteile für 'queer', weil es sie gar nicht geben kann. Das ist großartig!

Politisch gesehen, ist der Anteil von Queers in unserer Gesellschaft viel größer als nur Lesben und Schwule. Damit haben wir auch ein anderes Gewicht und können nicht so einfach ignoriert und übergangen werden. Aber auch diese queere Community ist noch lesbisch und schwul und trans* und und und....
Wir haben die gleichen Macht- und Ränkespielchen. Gerade wenn es um Fördermittel für Vereine geht. Gesellschaftliche Emanzipation ist kein einfacher Weg. Das merken wir jetzt, wo wir rechtlich weitgehend gleichgestellt sind. Zumindest gilt das für Lebenspartnerschaften. 
Queer bedeutet dann auch innerhalb der Community auf die Situation von Transgendern und Intersexuellen aufmerksam zu machen und Solidarität zu zeigen. Auch wenn ich als schwuler Mann fast schon Mainstream bin, kann ich nicht akzeptieren, dass junge Menschen mit uneindeutigen Geschlechtsmerkmalen verstümmelt werden. 2014 in Deutschland. Unglaublich. Unerträglich!


'Queer' wächst noch, entwickelt sich und lässt sich nicht festlegen. So können wir alle in Ruhe lernen gemeinsam queer zu sein. Jede/r auf seine Weise.